Interne Meldestellen: Sexualisierte Gewalt, sonstige Rechtsverstöße

Das Bistum Aachen setzt die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt durch Priester und andere kirchliche Beschäftigte konsequent fort und veröffentlicht jetzt (18.10.2023) die Namen von 53 Tätern und mutmaßlichen Tätern sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige und Schutzbefohlene. Mit der Nennung der Namen gehen wir einen weiteren Schritt. Wir stehen auf der Seite der Betroffenen und stellen uns den Verbrechen, die von Priestern und anderen in der Kirche Beschäftigten in der Vergangenheit begangen worden sind. Die Entscheidung, nunmehr Namen von Tätern und mutmaßlichen Tätern zu veröffentlichen, ist ein weiterer Schritt im Zuge einer zielgerichteten und konsequenten Aufarbeitung. Wir möchten Betroffenen Mut machen, sich zu melden.
Sie möchten Missbrauch melden? Wenden Sie sich vertrauensvoll an die Hotline des Bistums Aachen unter 0241-452-225 oder an

https://www.bistum-aachen.de/Aufarbeitung/start/

Siehe auch dieser Link

Als Meldewege sieht das HinSchG mit internen Meldesystemen (innerhalb des betroffenen Unternehmens, der betroffenen Behörde bzw. Einrichtung) und externen Meldesystemen (bei einer unabhängigen Stelle) zwei verschiedene Meldekanäle vor. Hinweisgebende Personen sollen allerdings eine Meldung an eine interne Meldestelle gegenüber der Meldung an externe behördliche Meldestellen bevorzugen.
Auch kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts wie Bistum, Kirchengemeinden und Kirchengemeindeverbände sowie Verbände, Vereinigungen etc. mit mehr als 50 Beschäftigten sind verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten. 
Diese Meldestelle gilt für alle Rechtsträger, die als sog. öffentliche juristische Personen kanonischen Rechts der Aufsicht des Bischofs von Aachen unterstehen, also für alle Kirchengemeinden und -gemeindeverbände, für das Domkapitel und das Bistum selbst, sofern der jeweilige Rechtsträger Anstellungsträger ist.
 
Gemeinsames Institutionelles Schutzkonzept
der Pfarren St. Gertrud – Bouderath, St. Antonius – Dottel/Scheven, St. Margareta – Frohngau, St. Nikolaus – Kall, St. Dionysius – Keldenich, St. Barbara – Krekel, St. Laurentius – Marmagen, St. Martin – Nettersheim, St. Cäcilia – Pesch, St. Stephanus – Sistig, St. Matthias – Sötenich, St. Potentinus – Steinfeld, St. Lambertus – Tondorf, St. Peter – Zingsheim, des KGV Kall/Nettersheim sowie der DPSG Kall*1)
1. Präambel
Traditionell ist Kinder- und Jugendarbeit in unseren Pfarrgemeinden ein wichtiger Bestandteil unserer pastoralen Arbeit. Viele Kinder und Jugendliche begleiten wir im Rahmen unserer Erstkommunion- und Firmvorbereitung, in der Messdienerschaft, in Chören, in der offenen und verbandlichen Arbeit der Gemeinden, sowie in den anderen Einrichtungen unserer Gemeinden, beispielsweise in den Schulen. Uns ist es ein besonderes Anliegen, dass Kinder und Jugendliche gerne zu uns kommen, sich angenommen, wert geschätzt, wohl und sicher fühlen. Ebenso möchten wir, dass die Eltern ihre Kinder bei uns gut aufgehoben wissen. Wir möchten als Pfarrgemeinden ein Teil der Kirche sein, die sich bemüht, mit der pastoralen Arbeit die Liebe Gottes zur Welt und seinen Geschöpfen sichtbar zu machen. Damit tragen wir eine große Verantwortung für das Wohl der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen und wollen sie - soweit es in unseren Möglichkeiten liegt – vor sexuellen Übergriffen, vor einer sexualisierten Atmosphäre und geschlechtsspezifischen Diskriminierungen schützen. Der in diesem Schutzkonzept vorgestellte Verhaltenskodex ist verbindlich für alle, die in unserem Namen und Auftrag mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, sei es haupt-, neben-, oder ehrenamtlich. Gleichzeitig möchten wir gerade den Ehrenamtlichen damit einen sicheren Handlungsrahmen geben.
Im Folgenden werden Kinder und Jugendliche Schutzbefohlene genannt. Diese Formulierung inkludiert ebenfalls schutz- oder hilfebedürftige Erwachsene. Alle Personen, die mit Schutzbefohlenen arbeiten, werden BetreuerInnen genannt.
2. Persönliche Eignung
In unseren Pfarrgemeinden und Verbänden werden nur Personen mit der Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung von Schutzbefohlenen betraut, die neben der erforderlichen fachlichen auch über die persönliche Eignung verfügen. Personen, die wegen strafbarer sexualbezogener Handlungen nach dem Strafgesetzbuch oder dem kirchlichen Recht verurteilt worden sind, dürfen nicht eingesetzt werden. Näheres regelt die Präventionsordnung des Bistums Aachen.
3. „Erweitertes Polizeiliches Führungszeugnis“, Selbstauskunftserklärung und Unterzeichnung des Verhaltenskodex
3.1. Angestellte
Entsprechend der Präventionsordnung des Bistums Aachen lassen sich die Träger dieses Schutzkonzepts in der GdG Steinfeld von allen haupt- und nebenamtlich Angestellten mit Kontakt zu Schutzbefohlenen unabhängig vom Beschäftigungsumfang ein „Erweitertes Polizeiliches Führungszeugnis“ vorlegen; vor Aufnahme der Beschäftigung und dann in einem fünfjährlichen Abstand.
Einmalig wird eine Selbstauskunftserklärung nach Anlage 1 dieses Schutzkonzeptes vorgelegt. Der Verhaltenskodex (Anlage 2) ist mit Unterschrift verbindlich anzuerkennen.
3.2. Ehrenamtliche
Die Träger*2) entscheiden gemäß ihren gesetzlichen und vertraglichen Bindungen, wer für seine ehrenamtliche Arbeit ein „Erweitertes Polizeiliches Führungszeugnis“ vorlegen muss. Grundsätzlich sind dies sowohl alle Ehrenamtlichen, die in der Flüchtlingsarbeit tätig sind, als auch alle Personen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit, die mit Schutzbefohlenen über
Nacht wegfahren, Kinder- oder Jugendgruppen*3) betreuen oder leiten oder in einem ähnlich intensiven Kontakt mit Schutzbefohlenen sind. In allen weiteren Fällen entscheidet der jeweilige Leiter des Trägers in Zusammenarbeit mit der Präventionsfachkraft, ob die Vorlage erforderlich ist. Das „Erweiterte Polizeiliche Führungszeugnis“ ist mit einer Bestätigung der Pfarrgemeinde kostenfrei. Der Verhaltenskodex ist mit Unterschrift verbindlich anzuerkennen. Die vorgenannten Ehrenamtlichen nehmen grundsätzlich an einer Präventionsschulung teil. Die Träger werden hierauf hinwirken.
4. Verhaltenskodex
Dieser vorliegende Verhaltenskodex soll dem Ziel dienen, die uns anvertrauten Schutzbefohlenen zu schützen und enthält deswegen für alle BetreuerInnen verbindliche Verhaltensregeln. Da in einem solchen Kodex nicht jeder erdenkbare Einzelfall geregelt werden kann, geht es darum, diese Regeln situationsabhängig und verantwortungsvoll anzuwenden. Dabei kommt es weniger auf den genauen Wortlaut an, als auf die dahinter stehende Intention des Schutzes.
4.1. Gestaltung von Nähe und Distanz
In der Arbeit mit Schutzbefohlenen bin ich mir meiner besonderen Rolle als Vorbild, als Vertrauensperson und meiner Autoritätsstellung bewusst. Ich missbrauche dieses Machtverhältnis nicht, sondern verpflichte mich dazu, meine Machtposition nicht auszunutzen. Das gilt auch beim Eingehen von freundschaftlichen und sexuellen Beziehungen. Spiele, Methoden, Übungen, Aktionen werden von mir so gestaltet, dass den Teilnehmenden keine Angst gemacht wird. Individuelle Grenzen nehme ich ernst und respektiere sie und werde sie nicht abfällig kommentieren. Einzelgespräche und Übungseinheiten finden nur in den dafür vorgesehenen Räumlichkeiten statt. Diese müssen jederzeit von außen zugänglich sein. Privaträume sind in aller Regel tabu
für Einzelgespräche. Wer aus guten Gründen von dieser Regel abweicht, muss dies immer transparent machen. Das bedeutet beispielsweise, zuvor andere BetreuerInnen oder KollegInnen darüber zu informieren; in begründeten Ausnahmefällen ist dies auch noch nachträglich möglich.
4.2. Sprache und Wortwahl
Ich passe meine Sprache und meine Wortwahl meiner Rolle an. In keiner Form des Miteinanders verwende ich sexualisierte Sprache. Ebenso dulde ich keine abfälligen Bemerkungen und Bloßstellungen, auch nicht unter Schutzbefohlenen. Bei sprachlichen Grenzverletzungen werde ich meiner Rolle gerecht und schreite ein. Schutzbefohlene nenne ich bei ihrem Vornamen. Spitznamen verwende ich nur, wenn das Kind / der Jugendliche das möchte. Kosenamen wie z.B. Schätzchen oder Mäuschen verwende ich nicht.
4.3. Angemessenheit von Körperkontakten
Mit körperlichen Berührungen gehe ich zurückhaltend um und dann auch nur, wenn die / der jeweilige Schutzbefohlene dies auch wünscht oder die Situation es zur Abwehr einer Bedrohung (z.B. Straßenverkehr, tätliche Auseinandersetzungen unter Schutzbefohlenen) erfordert. Ebenso schreite ich bei unangemessenem Körperkontakt unter Schutzbefohlenen ein. Mir ist bekannt, dass körperliche Annäherung in Verbindung mit Belohnung oder Bestrafung verboten sind.
4.4. Verhalten auf Freizeiten und Reisen und Beachtung der Intimsphäre
Soweit es meinem Verantwortungsbereich entspricht, werde ich dafür sorgen, dass auf Veranstaltungen und Reisen Schutzbefohlene von einer ausreichenden Anzahl an BetreuerInnen begleitet werden. Bei geschlechtsgemischten Gruppen soll sich dies auch bei den BetreuerInnen widerspiegeln. Schutzbefohlene und BetreuerInnen schlafen in getrennten Räumen. Diese sollen nach Möglichkeit geschlechtsgetrennt sein. Ausnahmen aufgrund räumlicher Gegebenheiten werde ich vor der Veranstaltung klären und gegenüber den Erziehungsberechtigten und ggf. der Präventionsfachkraft transparent machen. In Schlaf- und Sanitärräumen; Umkleiden und ähnlichen Räumen halte ich mich als Betreuungsperson in aller Regel nicht alleine mit Schutzbefohlenen auf. Ausnahmen kläre ich mit der Leitung der Veranstaltung vorher ab. Übernachtungen von Schutzbefohlenen in privaten Räumlichkeiten von mir oder anderen Betreuungspersonen finden nicht statt. Mir ist bekannt, dass Ausnahmen hiervon der
Präventionsfachkraft nach Möglichkeit zuvor begründet bekannt gegeben werden und gegenüber den Erziehungsberechtigten transparent gemacht werden müssen. Zimmer und Schlafplätze aller Beteiligten beachte ich als deren Privat- bzw. Intimsphäre.
Ohne vorheriges Anklopfen betrete ich diese Räume nicht. Ich fotografiere oder filme niemanden in nackten Zustand, aufreizender oder leicht bekleideter Pose oder gegen seinen Willen. Machen dies Gruppenmitglieder untereinander, schreite ich ein. Mir ist bewusst, dass das Recht am eigenen Bild uneingeschränkt zu beachten ist. Mutproben gehören nicht in meine Arbeit mit Schutzbefohlenen.
4.5. Umgang mit und Nutzung von sozialen Netzwerken
Ich sensibilisiere Schutzbefohlene für eine verantwortungsvolle Nutzung der digitalen Medien und sozialen Netzwerke. Gegen jede Form von Diskriminierung, gewalttätigen oder sexistischen Verhalten und Mobbing beziehe ich Stellung und schreite ein. Mir ist bekannt, dass jedwede pornographischen Inhalte, egal in welcher Form, nicht erlaubt sind.
4.6 Zulässigkeit von Geschenken
Finanzielle Zuwendungen, Belohnungen und Geschenke an Einzelne werde ich - wenn überhaupt - nur in einem geringen Maße vergeben und ohne, dass daran eine Gegenleistung geknüpft ist.
4.7 Erzieherische Maßnahmen
Bei erzieherischen Maßnahmen steht das Wohl der Schutzbefohlenen im Vordergrund. Deswegen sorge ich dafür, dass Maßnahmen im direkten Zusammenhang mit dem Regelbruch stehen und angemessen sind. Jede Form von Gewalt, Erniedrigung, Bloßstellung oder Freiheitsentzug ist untersagt und wird deswegen auch nicht von mir angewandt.
5. Verfahrenswege bei Verdachtsfällen / Beschwerdewege
Bei der Vermutung, dass eine Schutzperson Opfer sexualisierter Gewalt geworden ist oder wenn eine Schutzperson davon berichtet, kann man sich an die Präventionsfachkraft im Bereich der GdG Steinfeld wenden. Die Kontaktdaten stehen auf der Internetpräsenz der GdG Steinfeld zur Verfügung. Unabhängig davon besteht auch die Möglichkeit, sich an die Präventionsbeauftragte des
Bistums Aachen (Tel. 0241/452-204) zu wenden, oder an die Hotline im Bistum Aachen: 0173 96 59436. An diese Hotline kann man sich auch wenden, wenn sich der Verdacht gegen MitarbeiterInnen der Kirche richtet. Darüber hinaus können Betroffene auch eigenständig Kontakt mit Beratungsstellen aufnehmen. Eine Liste von Beratungsstellen findet man im Internet: http://www.praevention-bistum-aachen.de/
6. Qualitätsmanagement
Über die Maßnahmen zur Prävention informieren die Träger vor allem auf ihren Internetpräsenzen, in den Pfarrbriefen und durch Aushänge. Ideen, Kritik und Anregungen können jederzeit formlos bei den Präventionsfachkräften vorgebracht werden.
7. Aus- und Fortbildung
Die Träger informieren ihre Mitarbeiter gründlich über Prävention gegen sexualisierte Gewalt und informieren regelmäßig über entsprechende Schulungsangebote.
8. Inkrafttreten
Dieses vorliegende Schutzkonzept wird für die Pfarren und den Kirchengemeindeverband Kall/Nettersheim mit sofortiger Wirkung in Kraft gesetzt.
 
Fußnoten:
1) Die im BDKJ-Brand verbandlich organisierten Gruppen wie z. B. die DPSG Kall werden  innerhalb ihrer Trägerschaften zu gegebener Zeit eigene Schutzkonzepte entwickeln bzw. sich an das bistümliche Konzept anschließen.
2) Der Träger und für die ehrenamtlich Tätigen Zuständige ist auf Pfarrebene der leitende Pfarrer; der Träger und für die neben- und hauptamtlich Tätigen Zuständige ist auf Bistumsebene der Leiter des Kirchengemeindeverbandes (KGV).
3) auch in Erkommunion- und Firmkatechese